Die persönliche Stellungnahme von Claudia Küneweg bei der letzten Gemeindesitzung. Hier zum nachlesen:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,
seit etwas über einem Jahr bin ich nun Mitglied dieser Gemeindeversammlung sowie verschiedener Ausschüsse. Unter anderem aus diesem Grund möchte ich gerne heute eine persönliche Erklärung abgeben.
Durch die Wahlen vom 14.3.2021 haben sich mit Beginn der aktuellen Legislaturperiode die Mehrheitsverhältnisse in Edermünde deutlich geändert. Die SPD hat nach Jahrzehnten der alleinigen Vormachtstellung ihre absolute Mehrheit verloren und sah sich gezwungen, mit der CDU zu kooperieren.
Ein deutlicher Stimmenzuwachs konnte für die Grüne Fraktion verzeichnet werden, und in der Folge eine Verdopplung der Sitze in der Gemeindevertretung von 3 auf 6. Dies bildet einen Trend bei vielen Wählern ab, deren klare Botschaft lautet:
Es kann nicht einfach immer so weitergehen wie bisher.
Wir brauchen neue Ideen und neue Ansätze,
So kamen also „wir Neulinge“ in der Gemeindevertretung und in verschiedenen Ausschüssen an: Interessiert an ehrenamtlicher Politik, neugierig, motiviert uns einzuarbeiten und für die Einwohner von Edermünde gemeinsam mit den anderen Gemeindevertretern die bestmögliche Politik zu machen.
Ich gebe zu, das war ein bisschen naiv!
Wir hatten den Anspruch und die Vorstellung, neue Ideen, frischen Wind und Anregungen in die Gemeindevertretung einzubringen!
Die Botschaft, die bei uns ankam, lautete jedoch recht deutlich:
„Wir brauchen euch hier nicht. Wir wissen schon seit Jahrzehnten am besten, was gut für die Gemeinde ist, und das setzen wir auch durch! Die Verwaltung als ausführendes Organ ist verplant bis mindestens 2025! Danach könnt ihr ja mal weiter sehen, und wenn ihr selbst in der Mehrheit seid, könnt ihr eure Anträge durchbringen! Bis dahin müsst ihr damit leben, dass sie meistens abgelehnt werden!“
Diese Haltung von oben herab entspricht nicht ganz unserer Vorstellung von konstruktiver Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene!
Nach unserem Verständnis sind wir sind hier nicht in einem Landtag oder Bundestag, wo es um Machtstrukturen geht, sondern in einer Gemeindevertretung, wo man sich kennt und gemeinsam die besten Lösungen für die Einwohner herausarbeiten will.
So sollte es zumindest sein, und so wird es von denen, die hier bestimmen, auch kommuniziert, aber so wird es in Edermünde oft nicht gelebt.
Stattdessen habe ich alleine in diesem einen Jahr schon mehrfach die immer gleichen Äußerungen von den immer gleichen Personen gehört, gebetsmühlenartig:
„In Edermünde lässt es sich hervorragend leben, dies ist der SPD zu verdanken, wir machen hier schon immer alles richtig und sehen keinen Grund für Veränderungen. Nur die Grünen sehen alles schwarz und wollen immer Dinge haben, die keiner bezahlen kann!“
Ziemlich stereotyp.
Wir beobachten, dass die SPD nach dem Verlust ihrer jahrzehntelangen absoluten Mehrheit nun versucht, auf verschiedne Art und Weise ihren Einfluss zu festigen.
Hier ist beispielsweise eine Verminderung der Transparenz für die Öffentlichkeit zu beobachten. Den interessierten Bürgern wird es schwerer gemacht, von außen zu verfolgen, was in der Edermünder Politik vor sich geht.
Hierbei werden die juristischen Möglichkeiten durchaus ausgereizt.
Anträge zu den Sitzungen der Gemeindevertretung werden vor ihrer Veröffentlichung willkürlich und zum Teil sinnentstellend gekürzt.
Die Sitzungsprotokolle sind eher nichtssagend und lassen wenig über den Austausch der Argumente erahnen.
Anfragen der Mandatsträger werden nicht mehr öffentlich thematisiert, sondern kurzfristig schriftlich beantwortet und ausgedruckt, also stumm kommuniziert.
Manche Sitzungen sind so überfrachtet mit Anträgen, dass die ehrenamtlichen Anwesenden diese nicht mehr ausführlich erörtern können und wollen und nach schnellen Abstimmungen oder nach Verweis in andere Gremien streben.
Andere Sitzungen werden abgesagt mit der Begründung, es gebe keinen Rede- und Entscheidungsbedarf.
Ihren vorläufigen Höhepunkt finden die zunehmend verhärteten Fronten rund um das Thema Lidl, weiterhin um die immer weiter ansteigenden Kosten für einige prestigeträchtige Gemeindeprojekte, aber auch in persönlichen Auseinandersetzungen einzelner Gemeindevertreter.
In der Entscheidung über das Großbauprojekt des Milliardenkonzerns Lidl hatten hunderte von Einwohnern sich mehr als deutlich gegen den immensen Flächenfraß durch Logistiker und Lagerhallen geäußert, doch die Position der SPD „pro Lidl“ stand von Anfang an fest, die Vertreter des Konzerns wurden bei der Stange gehalten, und es wurde auf allen Wegen weiter für die Durchsetzung dieses Projekts um jeden Preis gewirkt.
Im Klartext heißt dies, der Widerstand und die Bürgerinitiative von zahlreichen Anwohnern wäre ziemlich sicher letzten Endes übergangen worden, wenn nicht die Haupteigentümer der Grundstücke ganz klar die Position bezogen hätten:
„So kann es nicht mehr weitergehen!“
Ihnen gebührt unser großer Respekt für das Rückgrat und das Standing, das sie bewiesen haben!
Die Landwirte haben sich ganz bewusst gegen die Lösung des kurzfristig finanziellen Vorteils durch Flächenverkauf entschieden!
Sie möchten Landwirtschaft betreiben auf den Flächen, die seit Generationen in ihren Familien sind!
Ihnen ist die Bedeutung einer regionalen Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln sonnenklar, im Gegensatz zu vielen Leuten, für die die Lebensmittel offenbar im Lager von Lidl entstehen!
Die Flächen, um die es hier geht, gehören zu den fruchtbarsten in Deutschland und können selbst unter ungünstigen Klimabedingungen noch Ernte produzieren!
Sie können weiterhin bei Unwetter und Starkregen große Mengen Wasser speichern, die ansonsten einfach in die Ortschaften abfließen würden, wie man es zeitweise schon in Holzhausen beobachten kann.
Diese wichtigen Faktoren werden zugunsten kurzfristiger finanzieller Interessen hintenan gestellt oder sogar ignoriert.
Stattdessen wurden die Eigentümer der fraglichen Flächen und die Bürgerinitiative in einer öffentlichen Pressemitteilung des Bürgermeisters an den Pranger gestellt als Egoisten und als Schuldige an der zukünftigen finanziellen Schieflage der Gemeinde.
Doch damit nicht genug: Mit der Beantragung eines Bauland-Umlageverfahrens wird von SPD und CDU angestrebt, sich den Zugriff auf die begehrten Grundstücke ein für alle Mal zu sichern, ohne noch einmal die Eigentümer oder gar die Meinung der Bevölkerung berücksichtigen zu müssen.
Das ist einfach nur unglaublich und spricht nicht für eine langfriste Planung zum Wohle der Menschen hier!
Auch in diesem Jahr sieht es bisher danach aus, dass Trockenheit und Unwetter sich abwechseln könnten, wie es im Zuge des Klimawandels immer öfter vorkommt. Die alte Bauernregel „Mairegen kühl und nass füllt des Bauern Scheun´und Fass“ hat nach wie vor Gültigkeit. Bisher gab es viel zuwenig Niederschlag in diesem Jahr, und in manchen Gebieten herrscht jetzt schon Waldbrandgefahr.
Bei Starkregen könnte die Versiegelung der angesprochenen Flächen zu umfangreichen Überschwemmungen oder sogar Unterspülungen in Grifte und Holzhausen führen.
Auf internationaler Ebene müssen mittlerweile die letzten Skeptiker anerkennen, dass der Klimawandel keine Erfindung der Umweltschützer ist, sondern Realität!
Schauen wir noch auf ein paar interessante Fakten zu den Finanzen:
Nach außen hin wurde im Zuge der Lidl-Diskussion der Eindruck vermittelt, dass die finanzielle Lage in Edermünde quasi einzig und allein von der Anwerbung großer Gewerbesteuerzahler abhängt.
Die Gewerbesteuer ist zugegeben ein wichtiges Standbein der Gemeinde, auch wenn sich natürlich die Frage stellt, weshalb man hier einem Milliardenkonzern, der seine Gewinne und Verluste vorteilhaft verschiebt, auf diese Art und Weise riesige Flächen geradezu andient, anstatt alle Energie in die Förderung kleiner regionaler Gewerbetreibender zu stecken.
Die Erkenntnis, dass man jede Fläche nur einmal zubetonieren kann, fällt offenbar schwer!
Der weitaus größte Anteil der Gemeindeeinnahmen besteht interessanterweise aus dem Gemeindeanteil der Einkommensteuer und ist ca. fünfmal so hoch wie das Gewerbesteueraufkomen.
Es sind also die Einwohner von Edermünde mit ihren guten Jobs bei den großen regionalen Playern, aber auch in kleinen und mittelständischen Betrieben, die seit Jahrzehnten für den Wohlstand unserer Gemeinde sorgen!
Diese Menschen wünschen sich gute Lebensqualität für sich und ihre Kinder, und zwar auch noch in 30 Jahren!
Sie möchten nach der Arbeit ein Zuhause, wo man noch atmen und draußen sein kann, wo es ein paar ruhige, schattige Wege zum Spazierengehen oder Joggen gibt, und wo einem, wenns denn endlich mal regnet, nicht sofort der Keller voll läuft!
Wir „Öko-Spinner“ könnten uns sehr gut vorstellen, dass die Randbereiche der jetzigen Ortschaften dauerhaft geschützt werden, anstatt wie ein Flickenteppich unweigerlich aneinander zu wachsen. In diesen Bereichen könnten Erholung und Naturschutz kombiniert werden mit Begegnungsmöglichkeiten, wo man durchatmet.
Hier wären Spielplätze denkbar, für die keine alten Streuobstwiesen platt gemacht werden, sondern die von allen Seiten zu Fuß und ohne Gefahr durch Autos erreichbar wären, so wie es in den Wohngebieten immer war, wo jetzt die Spielplätze als Baugrund versilbert werden.
In solchen Pufferzonen könnte man über gemeinsame DGHs der angrenzenden Ortsteile und viele weitere Ideen nachdenken.
Dies wären Projekte, wo es wirklich um das langfristige Wohl der Bewohner ginge!
Für ein solches Umdenken sind wir gewählt worden, und hieran möchten wir auf dieser Ebene konstruktiv und auf Augenhöhe arbeiten.
Auch im Interesse der Generationen nach uns!