Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier,
zur Bewahrung stabiler klimatischer Lebensbedingungen für uns Menschen ist die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Veränderung unserer Lebensgewohnheiten unbestreitbar. Dazu bedarf es u.a. auch einer grundlegenden Neuausrichtung der Verkehrspolitik. Deutschland verfehlt seine Klimaziele im Verkehrssektor deutlich. Für das Bundesland Hessen hat die hessische Umweltministerin Priska Hinz am 13.12.2019 eine schnelle Verkehrswende angemahnt, weil Hessen die CO2‐Ziele für 2020 mit nur 19% statt den erforderlichen 30% Reduktion deutlich verfehlt. Dabei entfallen 40% der Emissionen auf den Verkehrssektor. Bei der deutschlandweiten Zielsetzung der Emissionsreduktion im Verkehrssektor relativiert sich der weitere Bedarf an Bundesfernstraßen drastisch und vermindert sich die Rechtfertigung für Eingriffe in Natur und Landschaft entsprechend.
Wir leben in einer Zeit rasanter Veränderung. Der Klimawandel bestimmt immer mehr unser Sein, doch noch nicht genug unser Bewusstsein. Unser Leben wird zunehmend bedroht von Dürren und Wassermangel, vom Sterben der Wälder und der Arten, von der Zerstörung der Ökosysteme und daraus folgender Pandemien wie der Corona-Pandemie.
Der im Mai 2020 vorgelegte Biodiversitätsbericht von Umweltministerin Svenja Schulze zeigt ein besorgniserregendes Sterben der Arten auf. Die Zerstörung intakter ökologischer Systeme wird mit dem vermehrten Auftreten von Pandemien in Zusammenhang gebracht. Das Waldsterben nimmt bedrohliche Formen an. Neupflanzungen wachsen häufig nicht mehr an aufgrund von Dürre. Aufgrund der dramatischen Entwicklung beim Trinkwasser hat Umweltministerin Svenja Schulze bereits für 2021 einen Hierarchieplan zur Verteilung von Wasser gefordert.
Gegen Deutschland laufen Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen Mängeln beim Grundwasserschutz, wegen Mängeln bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, wegen zu geringem Schutz der Natura 2000 – Gebiete.
Vor diesem Hintergrund betrachten wir den Ausbau der A49 in der VKE 40.
Wie in einem Brennglas zeigt die 40 Jahre alte Planung alle Facetten ökologisch mangelhafter Planung der Vergangenheit, deren Umsetzung wir uns jetzt nicht mehr leisten können. Diese alte Planung berücksichtigt nicht die heutige Situation. Weder Klimaveränderung noch die Grundwassersituation oder das dramatische Sterben unserer heimischen Wälder.
Der Bau der A49 in der VKE 40 zwischen Stadtallendorf und Gemünden würde das nach der europäischen Flora‐Fauna‐ Habitat‐Richtlinie ausgewiesene Natura 2000‐FFH‐Schutzgebiet Herrenwald zerschneiden und damit den Biodiversitätsverlust weiter befördern. Die dafür nach § 34 BNatSchG nachzuweisenden „zwingenden Gründe des überwiegend öffentlichen Interesses“ wurden bisher nicht nachweisbar belegt. Dazu liegt noch eine unbeantwortete Petition beim Hessischen Landtag vor (Anlage: Petition Nr….. zum Komplex: A 49 und “zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses”)
Es liegen 4 weitere Petitionen gegen die A49 beim Hessischen Landtag vor:
Aktenzeichen 1521/20 zum Thema: Änderungen im Planfeststellungsbeschluss. Diese Eingabe wurde an das Wirtschafts- und Umweltministerium weitergeleitet.
Aktenzeichen 1522/20 zum Thema: Wirksamkeitsnachweis für CEF-Maßnahmen. Auch diese Eingabe wurde an das Wirtschafts- und Umweltministerium weitergeleitet.
Aktenzeichen 1523/20 zum Thema: CEF-Ausgleichsmaßnahme Sörenteich
Aktenzeichen 1524/20 zum Thema: Umweltverträglichkeitsstudie
Alle Petitionen sind noch nicht beantwortet.
Der Bau der A49 würde den Dannenröder Wald durchschneiden, einen 250 Jahre alten Dauermischwald, der seit den 1980er Jahren durch seine nachhaltige Bewirtschaftung zum Vorzeigewald wurde. Dieser intakte Mischwald wird von Fachleuten als klimarelevant eingestuft und erfüllt alle Voraussetzungen, um den Klimawandel zu bestehen. Wald ist heute noch viel wichtiger als in den Zeiten der Planung. Angesichts deutschlandweiter Dürreschäden können wir es uns nicht leisten, insgesamt rund 100 Hektar gesunden alten Mischwald, ca. 80.000 Bäume, mit seiner gesamten Artenvielfalt zu zerstören. Zumal Ersatzaufforstungen vielfach schnell der Dürre zum Opfer fallen und somit große CO2-Speicher entfallen. Die bisherigen Ersatzaufforstungen sind vielfach noch nicht wirksam umgesetzt, weshalb auch den Vorgaben des § 55 BNatSchG aus unserer Sicht noch nicht Genüge getan wurde.
Der weitere Verlust der u.a. zur Erzeugung von Lebensmitteln unverzichtbaren Böden muss ebenso gestoppt werden wie die von weiteren Straßen ausgehende Belastung der Bevölkerung mit Stäuben, Lärm und Abgasen. Überlegungen zum Bau neuer Logistikzentren entlang der Trasse lassen befürchten, dass es zu einer weiteren Belastung statt zu der versprochenen Entlastung kommt.
Der Bau und Betrieb der A49 stellt eine unkalkulierbare Gefahr für die Trinkwasserversorgung von bis zu 500.000 Menschen bis in das Rhein-Main-Gebiet dar, wie die Mittelhessischen Wasserversorger selbst befürchten. https://www.giessener-allgemeine.de/kreis-giessen/kreis-giessen-grossprojekt-bringt-hohes-risiko-wasserversorgung-mittelhessen-13135647.html
Das BVG Leipzig hat festgestellt, dass die Planung der VKE 40 der A49 so heute nie mehr genehmigt würde. Das Baurecht besteht aus rein formalen Gründen weiter. Inhaltlich wurde festgestellt, dass die Planfeststellung fehlerbehaftet ist, weil die seit 2015 bei Planungen notwendige Überprüfung der Wasserkörper anhand europarechtlich vorgegebener Kriterien (Wasserrahmenrichtlinie) nicht durchgeführt wurde. Die Richter haben entschieden, dass eine erweiterte Prüfung der Auswirkungen auf das Grundwasser bei heutigen Planungen erforderlich ist. Die Politik sollte entscheiden, dass diese Prüfung für die alte Planung nachgeholt wird. Wörtlich heißt es in der Pressmitteilung 37/2020 des Gerichts:“…erforderliche Schutzmaßnahmen können nachträglich angeordnet … wasserrechtliche Erlaubnisse angepasst oder sogar widerrufen werden.“ Gute Gründe gibt es dafür genug: drei Dürresommer mit Wassernot im Vogelsberg und eine aktuelle Trinkwasser-knappheit in Regionen des Rhein-Mai-Gebiets. In den letzten 2 Jahrzehnten finden sich die 10 heißesten Sommer seit Beginn der Messungen im Jahr 1894.
Temperaturaufzeichnungen für Hessen; HLNUG Messwerte Temperatur Jahresmittel für Hessen
Der 9. Senat in Leipzig hat zwar den PFB nicht antasten wollen, weil bereits 2014 ein entsprechendes Urteil gefällt wurde, andererseits wurde sehr deutlich formuliert, dass im Rahmen der Ausführungsplanung noch Korrekturen möglich sind, die vor allem auch die Behandlung der Oberflächenabwässer betreffen und die Frage des baulichen Eingriffs im Bereich des Grundwasserleiters. Es ist zwar richtig, dass nun ein bestandskräftiger PFB vorliegt, was aber nicht bedeutet, dass als Ergebnis des WRRL-Fachbeitrages nicht doch die wasserrechtliche Genehmigung neu gefasst werden muss.
Zuständig, diesbezüglich auf die DEGES einzuwirken, ist Minister Al-Wazir. Daher fordern wir, dass Tarek Al-Wazir und die hessische Landesregierung die vom BVerwG aus heutiger Sicht (Vors. Dr. Bier in der mündlichen Verhandlung) notwendige wasserrahmenrechtliche Prüfung sofort zu initiieren (die PF-Behörde hatte das in Leipzig zugesagt), und solange die Rodungen im Südabschnitt (VKE 40, Stadtallendorf – A 5) auszusetzen.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes; Pressemitteilung Nr.37/2020 vom 23.06.2020
Auch im Landkreis Marburg-Biedenkopf liegt ein ähnlicher Antrag vor: „Der Kreistag bittet den Kreisausschuss, den Hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW) aufzufordern, von der DEGES eine über den Planfeststellungsbeschluss im Bereich der VKE 40 hinausgehende Prüfung unter Beachtung der Wasserrahmenrichtlinie zum Grundwasserschutz durchzuführen, um darzustellen, wie die betroffenen Wasserschutzzonen berücksichtigt werden…
Trinkwasser ist ein kostbares Gut. Beim Bau der A 49 muss daher alles Mögliche getan werden, um die betroffenen Wasserschutzzonen vor schädlichen Einflüssen freizuhalten und das Grundwasser zu schützen. Dafür sind auch über die im Zuge des Planfeststellungsbeschlusses getroffenen notwendigen Aussagen hinausgehende Untersuchungen zu befürworten, um diese sensiblen Belange bestmöglich aufzuarbeiten. (Antrag zur Kreistagssitzung am 11. September 2020, Antrag der Fraktionen von SPD und CDU betreffend Fertigbau der Bundesautobahn 49 vom 20.08.2020)
Vor diesem Hintergrund treten wir für ein sofortiges Moratorium des Ausbaus der A49 ein und fordern deren Neubewertung unter dem Gesichtspunkt einer klimapolitisch notwendigen Verkehrswende und der Ergebnisse der Wasserrechtlichen Überprüfung.
Schon die Planrechtfertigung des Verkehrsprojektes A 49 für die Bauabschnitte VKE 30 und 40 hält keiner ernsthaften Prüfung stand. Bereits frühe ökologische Studien kommen zu dem Schluss, dass die massiven Umweltzerstörungen in der VKE 490 nicht ausgeglichen werden können.
UV-Studie 1997, Institut für Ökologie und Umwelt Hannover, S. 187 /188.
Angesichts der Klimakrise halten wir die Zerstörung gesunder Mischwälder für den Ausbau weiterer Verkehrswege unverantwortlich! Das Projekt ist unvereinbar mit den mittel- und langfristigen (Klima-)Schutzzielen, und das seit über 30 Jahren, hier insbesondere auch der Zielkonflikt mit dem Grund- und Trinkwasserschutz.! Der Ausbau der A49 muss sofort gestoppt werden und der Dannenröder Wald erhalten bleiben! Zu Alternativen verweisen wir auf den Dannenröder Appell.
Baurecht ist nicht Baupflicht! Daher appellieren wir an Ihre politische Verantwortung! Nach dem Urteil von Leipzig können Sie immer noch die politische Entscheidung für den dringenden Schutz unserer Lebensgrundlagen treffen. Zumal genügend verträglichere Alternativen vorliegen durch den Ausbau vorhandener Straßennetze. Wir erinnern Sie an Ihre Verpflichtung die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Stoppen Sie den Ausbau der A49 jetzt und bewerten Sie vor diesem Hintergrund das Projekt neu!
Mit freundlichen Grüßen
OV Grüne Homberg (Ohm)
KV Grüne Vogelsberg
KV Grüne Gießen
KV Grüne Marburg – Biedenkopf
OV Grüne Marburg
OV Grüne Edermünde